Stephan Bühler am 5. Juni 2006

Leider ist es für mich nicht mehr ganz nachvollziehbar, wann ich Stefan kennen gelernt habe. Irgendwann im Jahr 1994.

Damals war er noch ein kleiner Junge, gerade eingeschult. Unsere gegenseitige Beachtung und das Interesse am anderen und dessen Aktivitäten war noch sehr zurückhaltend und unbedeutend. Das erste an was ich mich erinnere sind seine Berichte vom Fußballspiel – in aller Regel spielte er eine untergeordnete Rolle, andere standen auf dem Spielfeld mehr im Vordergrund. Ich habe nie ein Spiel von ihm angesehen, glaubte ihm aber auch so, wenn er erzählte wie es war. Auch in der Grundschule war er nicht derjenige, der vorn stand und den anderen sagte wo es langgeht.

Er war irgendwie noch auf der Suche. Auf der Suche nach seinem Selbstbewusstsein, seinem ICH, auf der Suche nach dem, was ihm wirklich Spaß machte und was er konnte. Als 7-jährigem war ihm dies bestimmt noch nicht bewusst, aber als Außenstehender und im Nachhinein glaube ich, dass es so war.

Stefan wurde älter und das gegenseitige Interesse zwischen uns wuchs. Er hörte mit dem Fußballspielen auf und ging in den Schützenverein. Dort fing er das Luftgewehrschießen an – eine Individualsportart, bei der nur seine eigene Leistung zählte und nicht die der Mannschaft. Ich glaube, das war wichtig für ihn – zu sehen was er kann, die Leistung war messbar. Das nächste was er anfing war Triathlon: Schwimmen, Radfahren und Laufen auf Zeit.

Sport war mit Sicherheit das stärkste Band zwischen uns. Anfangs kam er zu mir ins Leichtathletiktraining als Teilnehmer, der nicht verlieren konnte. Später schon sah er die Chance, ein schwaches Team mit seiner Stärke zu unterstützen. Zum Schluss war er eine nicht mehr wegzudenkende Hilfe und Unterstützung und betreute die Kinder mit sehr viel Spaß, Einfühlungsvermögen und selbstverständlich verantwortungsvoll. Bei den Kindern war er sehr beliebt, sodass die Lücke, die er hinterlassen hat wohl auch nicht ohne weiteres zu schließen ist.

Jetzt erst waren wir wieder auf dem Turnfest – das zweite Turnfest ohne Stefan. Und wir sind wieder einmal mit dem Fahrrad hingefahren – das war das erste mal ohne Stefan. Bei unserer ersten Anfahrt mit dem Fahrrad überhaupt zum Landesturnfest nach Konstanz 2001 war Stefan auch dabei. Und seitdem war er gepackt vom Turnfestfieber. Beim Turnfest in Konstanz konnte ich ihn auch zum ersten mal 24 Stunden unter meiner Obhut erleben. Er war ein Träumer und kam oft nicht recht in die Gänge, wenn es hieß „wir gehen jetzt los“. Was mussten wir auf ihn warten, weil er noch nicht fertig war oder er noch mal zurück musste, weil er etwas vergessen hatte? Trotzdem oder gerade auch deswegen fehlt er uns auf den Turnfesten – und natürlich auch als Leistungsträger in der Orientierungslaufmannschaft.

Ein weiterer gemeinsamer Teil von uns ist die Schülerzeitung sternschnuppe des Mörike-Gymnasiums. Nachdem die Zeitung mehr schlecht wie recht lief, setzte sich Stefan schließlich dafür ein, dass die Zeitung wieder zu neuem Leben erweckt wurde. Oft hat er mir erzählt, dass es nicht so läuft, wie er sich das vorstellt. Dass die anderen einfach nicht so recht mitziehen und dass es für ihn allein einfach zuviel ist. Zum Zeitpunkt seines Todes war die Zeitung in einem fast fertigen Zustand – wurde jedoch bis heute nie fertig gestellt. Vielleicht ist auch die Zeitung mit Stefan gestorben?

Besonders wehmütig blicke ich aber nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft. Was hätte ich alles mit ihm unternehmen können. Erst heute habe ich eine Motorradtour unternommen, auf die er mit Sicherheit mitgegangen wäre. Immerhin hatte ich die Möglichkeit, eine kurze Tour mit ihm und seinem neuen Motorrad auf die Alb zu unternehmen. Vielleicht wären wir auch mal einen gemeinsamen Marathon gelaufen. Oder wir hätten eine seiner tollen Ideen gemeinsam verwirklichen können. Wie gerne hätte ich das gemacht, weil ich weiß, dass er mich mit seiner Begeisterung mitgerissen hätte. Ich glaube ihm hat einfach oft der Anstoß gefehlt, dass ihm jemand sagt: „Das ist super! Mach das doch einfach, ich helf Dir dabei!“ So hat er einige Ideen mit Euphorie angefangen, lies sie aber nach einer gewissen Zeit wieder sein.

Je länger ich hier schreibe, desto mehr fällt mir ein. Es kann ja auch nicht sein, dass man Erlebnisse und Erfahrungen einer 10-jährigen Freundschaft in ein paar Zeilen vollständig darstellen kann. Für den Augenblick soll es jedoch genügen. Meine Gedanken jedoch kreisen immer weiter um Stefan.

Danke, Stefan, dass Du Deine Zeit auch mit mir verbracht hast. Gerne hätte ich Dir auch den Wunsch erfüllt, Dein Schwager zu sein!